STDie Umsätze im Einzelhandel erreichen mit gewisser Regelmäßigkeit immer wieder neue Rekordzahlen. Doch während vor allem große Ketten und der Onlinehandel vom Konsumverhalten der Menschen profitieren, sterben kleine Geschäfte in den Städten und Dörfern regelrecht aus.
„Shop Local“ ist den meisten Kunden egal
Die Digitalisierung hat bereits jetzt so viele neue Chancen und Innovationen gebracht, dass man nicht mehr auf sie verzichten möchte – selbst, wenn das möglich wäre. Tatsächlich war es noch nie so einfach, mit einem eigenen Geschäft mit vergleichsweise wenig Risiko und Kapitaleinsatz ein florierendes Unternehmen zu starten. Allerdings gilt das vor allem für den Online-Bereich. Der klassische stationäre Einzelhandel hat strukturelle Probleme, die nicht über Nacht gekommen sind. Einfach die Schuld „auf das Internet“ und die „großen, anonymen Internetkonzerne“ zu schieben, ist dabei zu kurz gegriffen. Denn letztlich bestimmen die Kunden, wo sie kaufen – und die Attraktivität von klassischen Einzelhandelsgeschäften lässt vielerorts einfach zu Wünschen übrig.
Es ist eine Vielzahl von Faktoren, welche die Situation insgesamt sehr komplex machen. Daher gibt es auch keine einfachen Lösungen. Parolen wie „Shop Local“ oder „Heimatshopping“ werden zwar gerne ausgegeben, aber wenn man dann den Wochenendeinkauf im großen Verbrauchermarkt komplett abwickelt, weil es einfach bequemer ist, als viele kleinere Läden abfahren zu müssen, hilft das nur bedingt.
Warum kommen die Kunden nicht mehr zum stationären Handel?
Noch komplizierter wird die Situation durch die unterschiedlichen Effekte auf verschiedene Branchen. Einige sind mehr von der Digitalisierung betroffen als andere, wobei der Onlinehandel oft als Sündenbock für eigene Versäumnisse herhalten muss. So kann beispielsweise der Buchhändler an der Ecke nicht auf einen Preisdruck verweisen, den es aufgrund der Buchpreisbindung in Deutschland gar nicht gibt – ein Vorteil, den etwa das Bekleidungsgeschäft gegenüber den Internetkonkurrenten nicht hat. Kommt ein Kunde nach langwieriger Parkplatzsuche in den Buchladen und ist dort von der häufig angepriesenen individuellen Beratung enttäuscht, ist das sicher nicht hilfreich. Besonders störend empfinden es Kunden, wenn sie extra in die Stadt fahren und der Buchhändler das gewünschte Buch nicht vorrätig hat und bestellen muss. Das können sie inzwischen eben online selbst erledigen – und haben das Buch obendrein in aller Regel schneller in der Hand.
Natürlich kann der Buchhändler nicht alle Bücher vorrätig haben. Doch dort, wo es Sinn machen würde, etwa bei der Unterstützung unabhängiger Selfpublisher, die bei den großen Internetkonzernen völlig gleichberechtigt neben großen Autoren im virtuellen Regal erhältlich sind, hören Autoren von Buchhändlern oft arrogante Antworten im Sinne von: „Sie verkaufen auch auf Amazon und sogar als E-Book? Das unterstütze ich nicht!“ – wer so denkt, muss sich nicht wundern, wenn die Kunden den kleinen Laden an der Ecke ebenfalls nicht mehr unterstützen.
Die Verteufelung des Onlinehandels hilft nicht weiter
Der Buchhandel ist ein sehr spezielles Beispiel, das aber durchaus symptomatisch für das Problem ist. Die stationären Händler sind oft geradezu beleidigt, wenn sie mitbekommen, dass ihre Kunden auch online einkaufen. So ist etwa die Diskussion zur Konkurrenz zwischen E-Book und gedrucktem Buch auch unter Lesern meist eine Glaubensfrage. Tatsächlich geht es beim größten Teil der Konsumenten gar nicht darum, das eine durch das andere zu ersetzen, weil viele auch nach wie vor gedruckte Bücher mögen. Aber muss deswegen jedes mäßig interessante Taschenbuch, das man vielleicht nur einmal liest, Platz im Regal wegnehmen? Vom Umweltgedanken des Papierverbrauchs ganz abgesehen.
Dadurch, dass die stationären Buchhändler den Kunden quasi eine moralische Entscheidung aufdrängen möchten, verlieren sie immer mehr Marktanteile. Die Vorteile des Online-Buchhandels (schneller Versand, gigantisches Sortiment) können diese Händler nicht aushebeln. Aber statt sich auf ihre Kernkompetenz der Beratung und der Liebe zu allen Büchern (auch zu denen kleinerer Autoren) zu konzentrieren und von der Buchpreisbindung zu profitieren, schütten viele Händler das Kind lieber mit dem Bade aus. Anders ist es sicherlich bei Einzelhändlern, die neben der Versandkeule die sonstigen Nachteile des stationären Handels kompensieren müssen. Denn hier kommt der Preiskampf natürlich voll zum Tragen.
Ein Bekleidungsgeschäft, das Miete zahlen muss, Lagerhaltungskosten hat und verschiedene Größen stets vorhalten muss, hat es heute sicherlich sehr viel schwerer als früher. Doch auch hierfür gibt es durchaus Lösungen. So gibt es in vielen Städten inzwischen Kleiderläden, die nur noch Kommissionsware anbieten und somit kein eigenes großes Sortiment mehr vorfinanzieren müssen.
Vorteile von Onlinehändlern:
- häufig keine eigene Lagerhaltung notwendig
- keine Ladenmiete und damit verbundene Nebenkosten
- keine Einschränkung durch Öffnungszeiten
- keine Parkplatzsuche
- Zeitersparnis
- in vielen Fällen günstigere Preise
- einfacherer Preisvergleich
Nachteile von Onlinehändlern:
- Versandkosten, ggf. Mindestbestellwert
- viel Verpackungsmüll und hoher Transportaufwand für kleinere Artikel
- bei Umtausch und Reklamationen muss der Kunde alles selbst erledigen
- auf Artikel muss man warten und kann sie nicht spontan mitnehmen
- Service lässt oft zu wünschen übrig – insbesondere bei der Beratung
Hinzu kommt die Erfassung und Sammlung von Daten, die für die personalisierte Werbung eingesetzt werden. Hier arbeiten aber stationäre Händler auch mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, was durchaus legitim ist. Viele Kunden finden allerdings die auf sie zugeschnittene Werbung aus dem Internet sinnvoller als die Berge von Flyern und Broschüren, die oft nichts Interessantes enthalten.
Flexibilität ist für viele Einzelhändler ein Fremdwort
Sicherlich lässt sich der Preisdruck der Onlinehändler nicht wegdiskutieren. Während große Ketten und Einkaufsmärkte diesen durch die schiere Masse häufig kompensieren können und durch ihr vielfältiges Angebot mehr bieten als der kleine Laden an der Ecke, kann ein Ladenbetreiber in einer Fußgängerzone angesichts hoher Mieten und Nebenkosten nicht auf die Rabatte im Internet antworten. Für Kunden ist die Bequemlichkeit beim Einkauf etwas, an das sie sich gewöhnt haben – und das wird bei der Diskussion häufig ausgeblendet. In den 80er Jahren gab es ungleich mehr Geschäfte im Einzelhandel, das Internet war noch Zukunftsmusik.
Wer damals einkaufen wollte, musste sich an relativ ungünstige Öffnungszeiten halten, die von einer langen Mittagspause und frühem Toresschluss um 18 Uhr oder 18.30 Uhr gekennzeichnet waren. Mittwochnachmittags war häufig geschlossen, Samstags konnte man bestenfalls bis Mittag einkaufen gehen. Obwohl die Leute auch mit diesen Öffnungszeiten überlebt haben, verlangen die Kunden heute mehr Flexibilität, die sich der Lebensrealität des urbanen Arbeits- und Familienlebens anpasst. Die Verfügbarkeit von kostenlosen Parkplätzen ist gerade in Innenstädten schlicht nicht mehr gegeben – und mit dem Bus den Großeinkauf samt Kleinkindern zu absolvieren, ist verständlicherweise nicht die erste Wahl für viele Kunden.
In diesem Punkt spielt das Internet wirklich seine Stärke aus: Die Möglichkeit, 24 Stunden täglich einzukaufen – und eben nicht dann, wenn es dem Händler gerade passt – ist etwas, das in Deutschland eine Utopie ist. Abgesehen von einigen wenigen Läden an Flughäfen oder Tankstellen, ist diese Einkaufskultur aus anderen Ländern etwas, das deutsche Konsumenten nicht nachvollziehen können. Bei einem Urlaub in europäischen Nachbarländern oder einem amerikanischen Supermarkt nachts um halb drei völlig in Ruhe einkaufen zu können, beeindruckt viele – für Deutschland ist aber schon der Sonntag eine heilige Kuh, die nicht angetastet werden darf. Gerade hier könnten aber Einzelhändler auf dem Land punkten, indem sie ihre Öffnungszeiten an die Bedürfnisse von Kunden anpassen.
Ungenutzte Nischen müssten jetzt besetzt werden
Doch selbst die Öffnungszeiten sind kein Allheilmittel. Was für einen großen Supermarkt funktioniert, ist bei einem kleinen Schuhgeschäft oder dem Metzger auf dem Dorf nicht unbedingt praktikabel, denn da fehlt die Nachfrage, um den höheren Personal- und Kosteneinsatz deutlich längerer Öffnungszeiten zu rechtfertigen. Trotzdem: Inzwischen gibt es ja auch 24-Stunden-Wurstautomaten für den Grillbedarf am Sonntag oder andere Angebote, mit denen sich Einzelhändler abzuheben versuchen.
Gerade Lebensmittel sind heute noch eine Domäne des Offlinehandels – hier leiden die Einzelhändler wie Bäcker oder Metzger eher unter der Konkurrenz der Discounter als unter der des Internets. Doch solange die Kunden trotz anderer Beteuerungen lieber billige Lebensmittel kaufen, lässt sich dagegen wenig tun. Punkten könnten solche Geschäfte an anderer Stelle: In vielen kleineren und sogar mittleren Ortschaften gibt es teilweise seit Jahrzehnten keine Möglichkeiten mehr, Lebensmittel und andere Dinge vor Ort zu kaufen. Dass sich der Betrieb von Filialen für eine Handvoll Kunden nicht lohnt, ist unbestritten. Doch für ältere, kranke und behinderte Menschen, die nicht mobil sind, stellt das ein echtes Problem dar.
Die Onlinehändler und großen Verbrauchermärkte erkennen das und weiten ihr Angebot für Lebensmittellieferungen sukzessive aus. Diese Nische müssten die Einzelhändler eigentlich selbst besetzen – etwa durch Genossenschaften, die Lieferdienste finanzieren oder durch Startups und Franchisemodelle, wie es sie auch bei Pizzalieferdiensten erfolgreich gibt. Die Vernetzung auf Messen und die Investition in Werbung, wie etwa mit der Hilfe durch Unternehmen wie https://www.konorg-shop.de/, muss auch für kleinere stationäre Einzelhändler zur Normalität werden.
Fazit: Manche Branchen werden die Evolution nicht überleben
Die Situation, dass neue Einzelhandelskonzepte die alten verdrängen, ist nicht neu. In den 70er Jahren ging es den Tante-Emma-Läden vielerorts durch die Eröffnung der ersten Supermärkte ebenso. Kunden, die diese Entwicklung beklagen, müssen sich ihrer eigenen Einflussmöglichkeiten bewusst sein. Händler müssen sich hingegen flexibel den Veränderungen anpassen – und dabei wird nicht jede Branche überleben können. Ganz so, wie auch heute keine Heizer für Dampfloks mehr benötigt werden, so romantisch das auch sein mag.
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